Speziallager für die erste Hubbrücke Indiens
Pamban, Indien. Die Pamban-Eisenbahnbrücke war über 100 Jahre alt und wurde durch eine zeitgemäße Hubbrücke ersetzt, die nun auch erdbebensicher ist. Statt der angedachten Elastomerlager wurden besser geeignete Gleitpendellager entwickelt und eingebaut. Die Besonderheit dieser Erdbebenlager ist, dass sie sich mit der Hubbrücke öffnen und schließen und dabei immer wieder automatisch in die richtige Position zurücksetzen. Zudem sind sie korrosionsfrei und für den Monsun optimiert. MAURER India und MAURER München arbeiteten für das Projekt Hand in Hand.
Die gut 2,06km lange Pamban-Brücke im Süden Indiens verbindet die Insel Pamban (Rameshwaram Island) mit dem Festland. Genau genommen handelt es sich mittlerweile um drei Brücken: Die ursprüngliche, 100 Jahre alte Eisenbahnbrücke (seit 2022 gesperrt), die 1988 eröffnete Straßenbrücke und die „Neue Pamban-Brücke“, eine zweigleisige Eisenbahnbrücke. Sie soll die Verkehrsanbindung verbessern und die lokale Wirtschaft fördern, da Rameshwaram auf Pamban eine vielbesuchte Pilgerstadt ist.
Die neue Brücke ist eine Balkenbrücke mit 100 m Spannweiten. Technische Herausforderung war die zentrale Spannweite von 72,5 m für die Schiffsdurchfahrt. Sie wurde als erste vertikal um 17 m anhebbare Seebrücke Indiens ausgeführt. Diese Konstruktion gewährleistet einen ungestörten Seeverkehr und minimiert die Stopp-Zeiten für den Bahnverkehr. Zudem wurde sie für die neu geltenden Erdbebenbeanspruchungen ausgelegt.
Last + Verschiebung + Neuzentrierung
Die Pamban-Brücke wurde ursprünglich mit Elastomerlagern geplant. Im Zuge der Detailplanung wurde jedoch klar, dass angesichts der Lage in einer windreichen und erdbebengefährdeten Zone ein leistungsfähigeres Lagersystem gefragt war: für größere Bewegungen und zugleich mit geringen elastischen horizontalen Widerständen.
„Unsere Herausforderung war nicht nur die Übertragung hoher Lasten und Bewegungen, sondern auch die Neuzentrierung der Lagerkomponenten unter hochdynamischen Service- und Erdbeben-Bedingungen. Darüber hinaus ist die Umgebung stark korrosiv“, berichten die Projektleiter Jitendra Rathore und Rohit Kumar.
In einem ersten Ansatz wurde versucht, diese Anforderung mit MSM® Kalottenlagern zu erfüllen. Kalottenlager sind Gleitlager mit mindestens 50 Jahren Lebensdauer, die beliebige Verdrehungen in alle Richtungen ohne merklichen Widerstand über ein inneres sphärisches Kalottengelenk aufnehmen und zudem sehr hohe Lasten auf kleinstem Einbauraum übertragen.
Verantwortlich dafür ist der Hochleistungs-Gleitwerkstoff MSM® (MAURER Sliding Material) in Kombination mit einer speziellen verdrehbaren Kalotte. Die Kalotten bestehen aus der korrosionsbeständigen Gleitlegierung MSA® (MAURER Sliding Alloy).
Besonderheit bei der Pamban-Brücke war neben der hohen Erbebenbelastung das häufige Öffnen (= Anheben) der Brücke. Das erfordert Lager, die sich öffnen lassen und bei jedem Absenkvorgang erneut ausrichten, damit die Brücke wieder exakt zum Liegen kommt, unabhängig von zwischenzeitlichen Veränderungen, z. B. infolge von Temperaturschwankungen, Sturm und Regen. Da klassische Kalottenlager eine flache Gleitebene haben, können sie sich nicht rückzentrieren. Deshalb wurden stattdessen Gleitpendellager geplant.
SIP®-Lager mit integrierter Federrückstellung
Brückenplaner und Experten von MAURER entwickelten das SIP®-FZ-Lager als Speziallösung. Basis der Speziallager sind SIP®-Lager (Seismic Isolation Pendulum). Anstatt einer ebenen Kalotte haben sie eine konkav gekrümmte Gleitplatte, die bei horizontalen Verschiebungen dafür sorgt, dass sich das Lager wie ein Pendel selbst rückzentriert. Bauwerksbedingt wurden die vier Lager um 180° verdreht mit der Gleitplatte nach unten eingebaut.
Die SIP®-Lager haben bei der Pamban-Brücke vier Aufgaben:
Sie zentrieren die Brücke nach einem Hubvorgang (oder Erdbeben) wieder in die richtige Position.
Sie übertragen vertikale Lasten.
Sie isolieren bzw. trennen das Brückendeck im Erdbebenfall von den Pfeilern, wodurch die Erdbebenenergie nur zu einem kleinen Teil in die Brücke gelangt.
Sie mindern die seismische Energie durch Reibung und Bewegung um Faktor 2-5 ab.
Bei den SIP®-FZ-Lagern steht F für Federn, Z für Zug. Wenn die Hubbrücke bei einer Schiffspassage nach oben fährt, wird das Lageroberteil mit der Oberhälfte der Kalotte mit angehoben (= Z für Zug).
Die untere Hälfte der Kalotte und die konkave Gleitplatte bleiben auf dem Unterbau liegen. Wenn das Brückendeck wieder abgesetzt wird, schmiegt sich die obere Kalottenhälfte automatisch in die untere ein, mit Hilfe horizontaler Federn (= F) und über eine konische Anformung. Zusätzlich gleicht die Kalotte Verdrehungen zwischen Überbau und Unterbau aus.
Entwässerung und Korrosionsschutz
Die vier SIP®-FZ-Lager haben weitere Besonderheiten.
Die Kalottenunterteile wirken bei angehobener Brücke und Regen wie Wannen, in denen sich das Wasser sammeln kann. Das wird durch seitliche Entwässerungskanäle vermieden. Die Lager sind mit einem Korrosionsschutz der Klasse C5-very high nach ISO12944-5 ausgestattet, um den hohen Korrosionsanforderungen über dem Meer gerecht zu werden. Sie haben einen Grundriss von 1.205 x 845mm und sind ausgelegt für eine Auflast von 9.300kN. Sie können sich bei Temperaturschwankungen und Erdbeben bis zu ±125 mm verschieben.
Die hochmodernen SIP®-FZ-Lager erlauben das häufige Anheben und Absenken der Brücke und machen die Brücke erdbebensicher. Die innovative Gleitpaarung MSM® und MSA® gewährleistet eine verschleißfreie Funktion unter extrem dynamischen Lastsituationen. Die Lager haben eine Lebensdauer von mindestens 50 Jahren und sind damit auch ausgesprochen nachhaltig.
Die Lager wurden in München gefertigt, dort vom TÜV Rheinland inspiziert und im August 2024 eingebaut. Damit war MAURER, nach der Kattwykbrücke Hamburg und der Botlekbrücke Rotterdam, an einer weiteren großen Hubbrücke beteiligt und zählt zu den führenden Unternehmen bei Großhubbrücken. Die Pambanbrücke wurde im April einspurig eröffnet, der Überbau für die 2. Spur folgt. Eigentümer ist die Indian Railway, Generalunternehmer war RVNL.